Die HSG Stiftung dankt all ihren Förderinnen und Förderern

Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen: Dank signifikanter Zuwendungen konnte die Universität St.Gallen strategisch wichtige Projekte schnell umsetzen und sich als eine der führenden Wirtschaftsuniversitäten etablieren. Herzlichen Dank an unsere Förderinnen und Förderer für ihr Engagement!

Jetzt fördern Unsere Förderer

Design Thinking, problembasiertes Lernen und die Rolle von Räumen

Prof. Dr. Falk Uebernickel
Titularprofessor für Betriebswirtschaftslehre
mit besonderer Berücksichtigung der Wirtschaftsinformatik, Universität St.Gallen.
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Jennifer Hehn
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftsinformatik,
Universität St.Gallen.
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Marc Kohler Ph.D.
Consulting Manager bei IT Management Partner St.Gallen.
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Was ist Design Thinking?

 

Design Thinking ist ein Innovationsansatz, der die Bedürfnisse von Kunden in den Mittelpunkt rückt. Als Lehrveranstaltung wurde der Ansatz in den 1960er- Jahren an der Stanford University in Kalifornien begründet. Professoren des Ingenieurwesens und Maschinenbaus wollten ihren Studierenden nicht nur beibringen, «wie» sie eine Lösung gestalten können, sondern eben auch «warum».

 

Wenn man der klassischen Vorgehensweise des Ingenieurwesens folgt, wird zunächst eine Problemstellung beschrieben, dann werden technische Lösungsmöglichkeiten erarbeitet, bevor die vielversprechendste weiterentwickelt und umgesetzt wird. Mittels der Anwendung von Design Thinking wurden die Studierenden in Stanford dazu gebracht, sich mit den hinter der initialen Problemstellung liegenden Bedürfnissen von Kunden und Nutzern zu beschäftigen.

 

Design Thinking wendet eine iterative Herangehensweise an, um Probleme anzugehen und zu lösen. Zunächst wird der Problemraum erkundet: Die für das Problem relevanten Akteure, Themen, Technologien und Trends werden systematisiert und analysiert. So werden die Mitglieder des Design-Thinking- Teams in kürzester Zeit zu Experten für das Thema und dessen Kontext. Daraufhin erkunden sie die Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen Nutzer, für die sie eine Lösung gestalten. Hierbei setzen sie nicht nur auf Recherche vom Schreibtisch aus, sondern auch auf persönliche Gespräche, Observation und Immersion vor Ort.

 

Aufbauend auf den so identifizierten Bedürfnissen beginnt das Team mittels situativ angemessener Kreativitätstechniken den Innovationsraum zu erkunden. Das erlangte Verständnis des Problemraums und die identifizierten Bedürfnisse als Grundlage der Kreativitätsübung stellen sicher, dass die generierten Optionen relevant sind und über die initialen Vorstellungen der Teammitglieder hinausgehen.

 

Für die vielversprechendsten Optionen und Lösungsansätze werden dann Prototypen erstellt – zu Beginn des Projektes sehr einfach und beispielsweise mittels Skizzen, zu Ende des Projektes ausführlicher und inklusive entsprechender Funktionalität. Die Prototypen dienen dazu, die getroffenen Annahmen zu verifizieren und zu testen, ob diese die Bedürfnisse der potentiellen Nutzer tatsächlich adressieren. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus den Tests der Prototypen beginnt die nächste Iteration des Design- Thinking-Ansatzes mit der Erarbeitung eines aktualisierten Verständnisses des Problemraums.

«Design Thinking ist ein analytischer und kreativer Ansatz für problembasiertes Lernen. Die zugrunde liegenden Prinzipien haben Einzug in viele andere Innovationsansätze gefunden, unter anderem auch in den Lean-Start-up- Ansatz, der weltweit erfolgreich für Neu- und Ausgründungen eingesetzt wird.»

Problembasiertes Lernen mit Design Thinking

Es entsteht eine Lernumgebung, die hilft, bereits in die Studienprogramme aufgenommene Einheiten von Praxisprojekten, Integrationsseminaren, Capstone- Projekten usw. lernwirksamer durchzuführen. Dies erfolgt beispielsweise durch eine strukturierte Interaktion mit Praxisvertretern oder in Zusammenarbeit verschiedener Arbeitsgruppen. Darüber hinaus werden extracurriculare Lernangebote geschaffen, die in experimenteller Weise die oben beschriebenen Kompetenzentwicklungsprozesse unterstützen. Verstärkt wird auch das informelle Lernen der Studierenden angestossen. Die Studierenden sollen diverse, möglichst reichhaltige Impulse erfahren.

 

Der Name des Kurses in Stanford, in dem dieser Ansatz eingeführt wurde, hat sich zu einer der ersten und bis heute prominenten Marken des Design Think- ing entwickelt: ME310 steht für Mechanical Engineering mit der Kursnummer 310. Der Erfolg wurde schnell international bekannt und weitere Universitäten wollten den Kurs in Kooperation mit Stanford anbieten – ME310 Global war geschaffen. Die HSG war ab 2004 daran beteiligt. Es wollten so viele Universitäten ihren Studierenden diese Lerngelegenheit und dieses Erlebnis anbieten, dass 2010 unter Beteiligung der HSG das sogenannte SUGAR-Netzwerk ins Leben gerufen wurde, das heute das grösste Design-Thinking-Netzwerk weltweit ist und aktuell aus St.Gallen koordiniert wird.

 

Als mindestens genauso erfolgreich hat sich der Design-Thinking-Ansatz in Unternehmen über das gesamte Branchenspektrum hinweg erwiesen. Viele Unternehmen haben festgestellt, dass sie damit ihre Erfolgsquote bei Neuentwicklungen und Innovationsprojekten steigern können: Die Unternehmen werden relevanter für ihre Kunden, haben einen besseren Austausch mit ihnen und die Zufriedenheit der involvierten Mitarbeitenden steigt. Die dem Design-Thinking- Ansatz zugrunde liegenden Prinzipien haben Einzug in viele andere Innovationsansätze gefunden, unter anderem auch in den Lean-Start-up-Ansatz, der weltweit erfolgreich für Neu- und Ausgründungen eingesetzt wird.

 

Der SUGAR-Design-Thinking-Kurs beginnt jedes Jahr im Oktober und läuft bis zum Juni des darauffolgenden Jahres. An der HSG lernen so pro Durchführung bis zu zehn Teams von bis zu vier Studierenden Design Thinking in Theorie und Praxis kennen. Sie arbeiten mit Studierenden von Partneruniversitäten aus dem SUGAR-Netzwerk zusammen an der Lösung realer Fragestellungen. Diese stammen von Unternehmen, um die praktische Relevanz der erarbeiteten Ergebnisse sicherzustellen. Zahlreiche Projektergebnisse wurden erfolgreich vom Partnerunternehmen umgesetzt oder führten zur Gründung von Start-ups. An der HSG haben wir uns dabei auf digitale Dienstleistungs- und Geschäftsmodellinnovationen spezialisiert. Die Rolle des Design-Thinking-Kurses an der HSG für die Lehre in einer digitalisierten Welt und seine Ergänzung in Form eines Massive Open Online Course (MOOC) wird in dieser Publikation im Beitrag «Digitalisierung ist erst mal Arbeit an sich selbst» von Professor Brenner thematisiert.

 

Wir nennen diese Art des Lernens problembasiertes Lernen. Die Studierenden bekommen zu Beginn des Kurses kurz und knapp eine Arbeitsgrundlage vermittelt und erhalten dann das notwendige Methodenwissen für die Lösung ihrer Aufgabe Schritt für Schritt über die Laufzeit des Kurses verteilt. Somit ist gewährleistet, dass Wissen nicht kontextlos vermittelt und gelernt wird, sondern von den Studierenden jeweils direkt an ihrer realen Problemstellung angewandt werden kann.

Design Thinking und die Rolle von Räumen

Wir sind der Überzeugung, dass die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten und lernen, sehr stark von der Umgebung beeinflusst wird, in der wir dies tun. Es war uns deshalb von Beginn an ein Anliegen, unseren Studierenden innovationsfördernde Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, die sie rund um die Uhr nutzen können, die sie auf ihrer Lernreise unterstützen und die sich mit ihnen entwickeln. Während der vergangenen zehn Jahre haben wir zwei Lofts für die Bedürfnisse der Studierenden des Design-Thinking-Kurses eingerichtet und entwickelt, und seit diesem Jahr stellen wir unseren Studierenden ein ganzes Design-Thinking-Haus in der Nähe des Bahnhofs St.Gallen zur Verfügung.

 

Um das problembasierte Lernen zu fördern, müssen die Räumlichkeiten alle Phasen des Design- Thinking-Ansatzes und alle damit für die Teams verbundenen Aktivitäten unterstützen – von der Recherche über das gemeinsame Entwickeln von Ideen bis hin zum Bauen und Testen von Prototypen. Die intensivsten und nachhaltigsten Erlebnisse resultieren daraus, dass ein Team die gemeinsam entwickelten Ideen selbst in Form von Prototypen umsetzt, testet und aus der Resonanz auf diese Prototypen direkt lernt, alles gemäss dem Motto «Learning by Doing». Um der Umsetzung möglichst wenig in den Weg zu stellen, das heisst, um die Hürden zwischen der Idee und ihrer Realisierung zu senken, stellen wir unterstützende Materialien, Geräte und Werkzeuge in stets komfortabler Reichweite für die Teams zur Verfügung.

 

Im Laufe eines Projektes erschafft ein Design- Thinking-Team zahlreiche Artefakte, für die wir sowohl in den Lofts als auch im Design-Thinking-Haus Platz geschaffen haben, damit daraus ein echter Projektraum für das Team wird. Die Ideensammlungen und Prototypen, aber auch Erinnerungsstücke ebenso wie unterhaltsame Gegenstände dienen den Teams als Inspiration und Markenzeichen und fördern ihre Identität und den Zusammenhalt. Neben den Projekträumen für intensives Arbeiten der einzelnen Teams legen wir grossen Wert auf gemeinsame Räume, insbesondere für das Testen und Präsentieren von Ergebnissen sowie für den informellen Erfahrungsaustausch. Für Letzteres haben wir bis heute kein besseres Werkzeug als eine gemeinsame Kaffeemaschine gefunden.

 

Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass man bei der Entwicklung eines Lernraums zu Beginn nicht alle Bedürfnisse ab- und vorsehen kann. Somit ist es essentiell, dass die Räume sich mit den Teams und ihren Projekten weiterentwickeln können. Die Räumlichkeiten werden so selbst zu Prototypen dafür, wie Lernen und Zusammenarbeiten funktioniert. Wir ermutigen unsere Studierenden, ihre Arbeits- und Lernumgebung zu hinterfragen und der anstehenden Aufgabe anzupassen. Die Art und Weise, wie die Teammitglieder den zur Verfügung gestellten Raum und die darin befindlichen Materialien und Werkzeuge ständig neu einsetzen und kombinieren, erstaunt uns immer wieder von Neuem und stellt auch für uns eine ausserordentlich spannende Lernreise dar.