Die HSG Stiftung dankt all ihren Förderinnen und Förderern

Privatpersonen, Unternehmen, Stiftungen: Dank signifikanter Zuwendungen konnte die Universität St.Gallen strategisch wichtige Projekte schnell umsetzen und sich als eine der führenden Wirtschaftsuniversitäten etablieren. Herzlichen Dank an unsere Förderinnen und Förderer für ihr Engagement!

Jetzt fördern Unsere Förderer

Digitalisierung ist zunächst Arbeit an sich selbst

Prof. Dr. Walter Brenner
Ordentlicher Professor für Informationsmanagement,
Universität St.Gallen.
Foto Ueli Steingruber Fotografie

Jeder Profi- und jeder Amateursporttreibende weiss es: Ohne Training kein Erfolg bei Wettkämpfen. Je grösser die sportliche Aufgabe ist, umso intensiver muss auch das Training sein. In der Sprache der Ausdauersportler heisst das: Die Trainingsintensität muss anders sein, ob man auf einen Halbmarathon trainiert oder auf einen Marathon, einen Ultramarathon oder gar auf einen Ironman.

 

Was hat dieses einführende Beispiel mit Digitalisierung und der damit verbundenen Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft zu tun? Die Antwort, kurz zusammengefasst, lautet: Unabhängig vom Alter sind die Menschen, vor allem kommende und aktuelle Führungskräfte, gefordert, sich ausund weiterzubilden, und dies das ganze Leben lang. Diese kontinuierliche Aus- und Weiterbildung entspricht für mich dem Training beim Sport. Es ist wie beim Ausdauersport: Das Training muss auf den beabsichtigten Wettkampf angepasst werden. Oder wie es auf Englisch heisst: «One size doesn’t fit all.» Digitalisierung erfordert, dass sich Inhalte und Methoden der Aus- und Weiterbildung auch unserer Universität verändern. Die neuen Inhalte, die in Zukunft in die universitäre Lehre eingebaut werden müssen, lassen sich unter den beiden Stichworten «Software» und «Quantifizierung» zusammenfassen. Für mich bedeutet Digitalisierung im Kern, Ideen, manchmal auf den ersten Blick unklare Ideen, in Software zu giessen. Das ist für mich eine der Kernkompetenzen des Silicon Valley: Es ist der Ort auf der Welt, an dem je länger, je mehr für alle Bereiche des beruflichen und privaten Lebens Software geschrieben wird. Das Spektrum von Programmen ist enorm. Es reicht von Software für das Management, die privatesten Bereiche des Lebens über Software für autonome Fahrzeuge bis zu extremen Lösungen für Militär und Geheimdienste. Quantifizieren ist die zweite Grundlage der digitalen Welt. Hinter dem unglaublichen Erfolg von Technologiegiganten wie Google oder Amazon stehen ausgeklügelte Algorithmen. Grundlage der Quantifizierung ist die statistische und mathematische Auswertung der immer stärker wachsenden Datenbestände. Ziel ist es, in den Daten neue Erkenntnisse zu finden, die es erlauben, Kundinnen oder Kunden personalisierte Angebote zu machen oder im Extremfall ihnen Produkte und Dienstleistungen anzubieten, an die sie noch gar nicht gedacht haben, aber die sie doch zu kaufen bereit sind. Für mich ist immer wieder faszinierend, dass Amazon ca. 35 % seines Umsatzes im Handel über das Vorschlagssystem erzielt.

 

Auch die Lehr- und Lernmethoden werden sich durch Digitalisierung verändern. In aller Munde sind die sog. Massive Open Online Courses (MOOCs). Die Lehrinhalte werden über das Internet, manchmal unterstützt durch Videos, vermittelt. Theoretisch ist es möglich, dass ein MOOC von Lernwilligen aus der ganzen Welt besucht wird. Coursera ist nach meinem Wissen die grösste Plattform für MOOCs. Mehr als 30 Millionen Studierende sind registriert.

«Der technologische und gesellschaftliche Wandel stellt hohe Anforderungen, insbesondere an Führungskräfte. Er erfordert ‹Arbeit an sich selbst›, eine lebensbegleitende Aus- und Weiterbildung. Die Universität St.Gallen ist gefordert, sich weiterzuentwickeln und solche Angebote bereitzustellen. Das HSG Learning Center ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.»

Die Universität St.Gallen muss sich in den nächsten Jahren mit neuen Inhalten und neuen Methoden für die Aus- und Weiterbildung auseinandersetzen. Ich werde im Folgenden einige aus meiner Sicht zentrale Aktivitäten unserer Universität im Zeitalter der Digitalisierung darstellen. Das Spektrum ist gross, denn wie schon gesagt: «One size doesn’t fit all.» Im Zentrum steht das Gebot «Arbeit an sich selbst». Es gilt nicht nur für Studierende, sondern auch für unsere Universität. Auch sie muss sich und wird sich weiterentwickeln müssen.

 

Die Bachelorausbildung in Betriebswirtschaft ist der Ausbildungsgang an unserer Universität, den die meisten Studierenden besuchen. Er wird, startend mit dem Herbstsemester 2019, komplett reformiert. Eine Grundlagenausbildung in Informatik wird wieder Pflicht für alle Studierenden. In den neuen Pflichtveranstaltungen werden Schwerpunkte in der Vermittlung der grundlegenden Denkweisen der Informatik und in Softwareentwicklung gelegt. Der Anforderungsgrad dieser Pflichtveranstaltungen wird weit über eine blosse Einführung hinausgehen, denn immer mehr Studierenden wurden die Grundlagen schon im Gymnasium vermittelt. Auf der reformierten Bachelorstufe wird es in Zukunft Vertiefungsschwerpunkte geben, die neu «Diploma Supplement» heissen. In Informatik wird das Diploma Supplement «Unternehmerische Informatik» angeboten werden. Für alle Studierenden, die seit dem Herbstsemester 2018 mit dem Bachelor in Betriebswirtschaft begonnen haben, bedeutet «Arbeit an sich selbst», sich mit Software und der damit verbundenen Denkweise zu beschäftigen. Zu den traditionellen Fähigkeiten unserer Universität, wie z. B. dem Verstehen wirtschaftlicher Zusammenhänge, Erstellen von Folien und eloquentem Vortragen, wird in Zukunft verstärkt formales und mathematisches Denken kommen. Dies wird nicht zur Freude aller Studierenden sein.

 

Der Master in Business Innovation ist inzwischen das zweitgrösste Masterprogramm an unserer Universität. Er verbindet die Vermittlung grundlegender Kompetenzen in Innovation, Wirtschaftsinformatik und Medienmanagement. Es entspricht der zukunftsorientierten Denkweise vieler Studierender unserer Universität, dass sie dieses Fach wählen, solange es keinen eigentlichen Schwerpunkt in Informatik gibt. Viele Studierende in diesem Master beabsichtigen, unternehmerisch tätig zu werden. Durch die Verbindung der Ausbildung in Informatik mit Innovationsmanagement, Entrepreneurship, Business Engineering und Medienmanagement erhalten sie das dafür notwendige Rüstzeug.

 

Zudem werden im Kontextstudium im Bereich «Skills» Veranstaltungen angeboten, die grundlegende Kenntnisse in Informatik, speziell Programmierung vermitteln. Auf Initiative der Volkswirte gibt es ab dem Herbstsemester 2018 eine Zusatzausbildung «Fundamentals of Data Science». Dieser Kurs stellt eine Ergänzung zu den bestehenden Ausbildungsangeboten auf der Bachelor- und Masterstufe dar.

 

Fast alle Professorinnen und Professoren der Universität St.Gallen haben in den letzten Jahren ihre Lehrinhalte und ihre Forschungsinhalte auf die digitale Welt angepasst. «Arbeit an sich selbst» bedeutet, dass diese Kolleginnen und Kollegen sich in Richtung Digitalisierung weiterbilden und ihre Lehr- und Forschungsinhalte anpassen. Grosse Veränderungen sind beispielsweise in den Bereichen Innovation, Entrepreneurship und Strategie auszumachen. So sind beispielsweise unzählige Veranstaltungen entstanden, die sich unter anderem mit digitalen Strategien, digitaler Transformation sowie Entrepreneurship und Innovation im digitalen Umfeld auseinandersetzen.

 

Am Institut für Wirtschaftsinformatik wurde in den letzten zwölf Jahren, zu Beginn in Kooperation mit der Stanford University in Palo Alto, ein Forschungsund Lehrschwerpunkt in Design Thinking etabliert. Design Thinking ist eine Methode, die aus dem Silicon Valley kommt und zu den erfolgreichsten Innovationsmethoden gehört. Inzwischen wurden insgesamt fast 100 Innovationsprojekte für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Grössen national und international am Institut für Wirtschaftsinformatik unserer Universität durchgeführt.

 

Wenn es um die Lehrinhalte der Zukunft geht, wird der neue Ausbildungsschwerpunkt «Informatik und Management», der eingerichtet werden soll, eine entscheidende Rolle spielen. Diese Erweiterung des Forschungs- und Lehrangebots der Universität St.Gallen ist Teil der Bildungsoffensive des Kantons St.Gallen. Im Februar 2019 wurde die Volksabstimmung im Kanton St.Gallen zu der IT-Bildungsoffensive angenommen und zunächst wird ein Master- und später ein Bachelorstudium in «Informatik und Management» eingerichtet werden. Zahlreiche neue Professorinnen und Professoren werden berufen werden. Ein Institut für Informatik befindet sich bereits in Gründung.

 

Das Anbieten neuer Lehrinhalte reicht nicht aus, um den Herausforderungen der digitalen Zukunft gerecht zu werden. Es müssen auch neue Lern- und Lehrmethoden eingeführt werden. Bereits heute erfolgt die Verteilung der Lehrmittel über digitale Plattformen. In Zukunft werden im Sinne des sog. «Blended Learnings» Präsenzveranstaltungen mit digitalen Komponenten ergänzt werden. Im Master in Business Innovation existieren bereits einige Veranstaltungen, in denen diese neuen Lehrmethoden erfolgreich eingesetzt werden. Auch MOOCs werden an der Universität St.Gallen in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen. Für die Ausbildung in Design Thinking wurde in Kooperation mit einem multinationalen Unternehmen ein MOOC produziert (www.udemy.com/ the-world-of-design-thinking/). Diesen digitalen Kurs haben innerhalb kürzester Zeit mehr als 4000 Studierende aus der ganzen Welt «besucht». Neue Lehrmethoden heisst aber nicht nur Nutzung der digitalen Welt. Gruppenarbeiten, Diskussionen mit Studierenden und das Bauen physischer Prototypen gehören ebenfalls dazu. Die Lehrveranstaltung, in der mit Hilfe von Lego Mind Storms Prototypen gebaut werden, ist seit vielen Jahren sehr begehrt bei Studierenden.

 

«Arbeit an sich selbst» ist nicht nur Aufgabe der Studierenden, sondern auch der Alumnae und Alumni. Die Universität St.Gallen kann im Bereich Weiterbildung auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Seit den Zeiten von Hans Ulrich gehört lebenslanges Lernen zu den Eckpfeilern unserer Universität. Unzählige Absolventinnen und Absolventen haben in Umsetzung des «Arbeitens an sich selbst» Weiterbildungsveranstaltungen besucht. Die Executive School, die sich ausschliesslich um Weiterbildung kümmert, ist heute ein integraler Bestandteil unserer Universität. Am Institut für Wirtschaftsinformatik gibt es seit mehr als 20 Jahren den Executive Master in Business Engineering, das erste Angebot in Executive Education in Digitalisierung, obwohl man bei seiner Gründung noch nicht von Digitalisierung gesprochen hat. Im Bereich der Weiterbildung in Digitalisierung bestehen aus meiner Sicht aber immer noch gravierende Defizite. Diese gilt es zu schliessen. Ich bin aber zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es für «Digital Immigrants», und das sind viele Alumni und Alumnae, nicht so einfach ist, sich gründlich mit der Digitalisierung auseinanderzusetzen. Das Herunterladen vieler Apps auf das Smartphone, diffuse Diskussionen über neue Geschäftsmodelle oder Monopole von Internetgiganten reichen nicht aus. Es geht um eine solide Weiterbildung in Digitalisierung. Je technischer und mathematischer es wird, umso schwerer fällt «Digital Immigrants» die geforderte «Arbeit an sich selbst». Für mich ist dieser Teil der Weiterbildung eine conditio sine qua non für den zukünftigen Erfolg unserer Universität.

 

Entrepreneurship oder konkreter das Gründen neuer Unternehmen ist eine zentrale Voraussetzung für den zukünftigen Erfolg der Schweiz und von Europa. Für mich ist unter den vielen Aussagen von Beratungsunternehmen und Wissenschaftlern, die zum digitalen Wandel kursieren, die rasche Veränderung der Top Ten unter den Fortune 500 eindrucksvoll und bedrohlich zugleich. Heute sind fast nur noch Internetgiganten oder Technologieunternehmen, die nicht aus Europa kommen, auf den zehn Spitzenplätzen. Mit der digitalen Transformation unserer Lehrinhalte und Lehrmethoden schaffen wir notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzungen für Entrepreneurship, denn ein grosser Teil der künftigen Neugründungen wird die neuen Potentiale der Informations- und Kommunikationstechnik nutzen. Wenn unsere Studierenden an sich selbst arbeiten und die Chancen sehen, die durch die neuen Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnik entstehen, sind verstärkt auch in St.Gallen technologiebasierte Gründungen zu erwarten.

 

Der für diesen Beitrag zur Verfügung stehende Platz reicht nicht aus, um auf alle Aspekte der «Arbeit an sich selbst» im Zeitalter der Digitalisierung einzugehen. Ich bin der Meinung, dass die Studierenden, die Alumnae und Alumni sowie viele Kolleginnen und Kollegen an unserer Universität die Zeichen der Zeit erkannt haben. Es gibt bereits positive Zeichen, dass die ersten «Wettkämpfe» des digitalen Zeitalters gewonnen wurden. Das geplante Learning Center wird eine innovative Umgebung schaffen, die es ermöglicht, neue Lerninhalte und -methoden einzusetzen. Es stellt für mich einen wichtigen Schritt der «Arbeit an sich selbst» unserer Universität dar.