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Künstliche Intelligenz: Die Rolle der Universität im Dialog mit der Gesellschaft

Prof. Dr. Damian Borth
Ordentlicher Professor für Artificial Intelligence
und Machine Learning, Universität St.Gallen.
Foto zVg

Zurzeit entwickeln verschiedene Staaten im europäischen Raum nationale Strategien zur Förderung der künstlichen Intelligenz (KI). Ob Frankreich, das Vereinigte Königreich oder Deutschland, es stehen Summen in Milliardenhöhe im Raum, um das Themenfeld in Forschung und Lehre in diesen Ländern voranzubringen. Diesen Initiativen vorausgegangen war 2016 ein Strategiepapier des früheren US-Präsidenten Barack Obama. Darin wird die Transformation der Gesellschaft durch den Einsatz künstlicher Intelligenz als eine der grossen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen für die Zukunft bezeichnet. Parallel entbrannte im Silicon Valley ein Streit zwischen dem Facebook-Gründer Mark Zuckerberg sowie Tesla- und SpaceX- Gründer Elon Musk. Der Konflikt entbrannte um die Rolle der künstlichen Intelligenz im Kontext der daraus resultierenden Verantwortung der Forschungsgemeinschaft für die Weiterentwicklung dieser Technologie. Segen oder Fluch? Zwei der sichtbarsten Personen im Silicon Valley haben ganz gegensätzliche Meinungen über die aktuelle Entwicklung der KI-Forschung.

 

Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff der künstlichen Intelligenz? Und warum ist das Thema in den letzten Jahren so präsent? Dies hat mit den herausragenden Erfolgen der letzten rund fünf Jahre auf dem Gebiet des sogenannten «Deep Learning» zu tun. Deep Learning ist eine Disziplin der künstlichen Intelligenz, bei der tiefe neuronale Netze genutzt werden, um das menschliche Gehirn auf einem Computer zu simulieren. Dadurch, so hofft man, könne man den «Funken» der Intelligenz in der Maschine entfachen.

 

Inspiriert durch die Natur, sind diese tiefen neuronalen Netze immer komplexer und erfolgreicher im Verstehen von Text, Bild und Sprache geworden. Selbstlernend sind sie in der Lage – wie wir Menschen –, unsere Umgebung wahrzunehmen, und werden dadurch unverzichtbar für die Entwicklung von selbstfahrenden Fahrzeugen oder der Spracherkennung unserer Mobiltelefone. Von anfangs acht Schichten und Millionen von Verknüpfungen sind diese heute zu Netzen mit Hunderten, wenn nicht Tausenden Schichten und Milliarden von Verknüpfungen angewachsen. Und je mehr Schichten, je mehr Verknüpfungen diese Netze haben, desto besser werden sie in der Bewältigung ihrer Aufgaben. Das Überraschende an der Erfolgsgeschichte der tiefen neuronalen Netze ist, dass diese Technologie zwar schon seit den späten Sechzigerjahren bekannt ist, aber erst 2012 zum Durchbruch kam. Darin hat das heutige Momentum der künstlichen Intelligenz seinen Ursprung.

«Künstliche Intelligenz durchdringt alle Sektoren. Der Umgang damit entscheidet über Gewinner oder Verlierer der digitalen Transformation. Sie kann aber auch eine wichtige Rolle zur Förderung des Gemeinwohls spielen. Es ist dringend an der Zeit, sich damit zu befassen und künstliche Intelligenz gesellschaftsverträglich zu gestalten.»

Drei Kernelemente mussten 2012 dafür zusammenkommen:

Erstens benötigen wir einen Ansatz für das maschinelle Lernen, welches eine flexible Lernkapazität innehat. Neuronale Netze sind in ihrer Lernkapazität flexibel, da in ihrer Konstruktion neue Schichten von Neuronen hinzugefügt werden können. Diese hinzugefügten Schichten erweitern neuronale Netze, machen sie sozusagen tiefer für das Erlernen von Mustern. Deswegen auch der Begriff «Deep Learning».

 

Zweitens steigt mit zusätzlichen Schichten von Neuronen nicht nur die Lernkapazität eines neuronalen Netzes, sondern auch der Bedarf nach Daten. Das heisst, das neuronale Netz kann zwar mehr lernen, muss aber auch mehr Beispiele zum Trainieren bekommen, damit es nicht einfach auswendig lernt, sondern tatsächlich die zu lernenden Konzepte versteht. Dank «Big Data» stehen uns heutzutage immer mehr Daten zur Verfügung, welche wir, mit Aufwand, diesen tieferen neuronalen Netzen zum Trainieren geben können.

 

Drittens werden diese grossen Mengen an Daten und diese Milliarden an Verknüpfungen zwischen den Neuronen unter immensem Rechenaufwand trainiert. Dieser Trainingsprozess kann durch die Berechnung auf sogenannten «Graphics Processing Units» (GPUs) immens beschleunigt werden. Hierdurch konnten zum ersten Mal sehr tiefe neuronale Netze mit sehr vielen Daten effizient trainiert werden.

 

Diese drei Kernelemente sind 2012 zum ersten Mal zusammengekommen und haben es uns ermöglicht, tiefe neuronale Netze zu entwickeln, welche ihre Aufgaben mit einer ebenso guten oder sogar besseren Präzision bewältigen können als Menschen.

 

Gerade im Zuge der voranschreitenden Digitalisierung unserer Gesellschaft wird Deep Learning eine immer zentralere Rolle zugeschrieben. Wir leben in einer Welt, die immer komplexer wird und uns – ob wir möchten oder nicht – mit einer zunehmenden Fülle an Daten konfrontiert. Diese neue Art der maschinellen Intelligenz kann uns dabei helfen, wichtige Informationen von Rauschen zu trennen, um auf dieser Basis sachkundigere Entscheidungen treffen zu können. Daten sind schon heute das Gewebe unserer modernen Gesellschaft geworden, und die künstliche Intelligenz wird ihr Antriebsmotor sein. Dies ist nicht nur in unserem Alltag sichtbar, sondern wird auch die Industrie für die nahe Zukunft prägen. Gerade traditionelle Industriezweige wie die Automobilindustrie, der Einzelhandel, das Gesundheitswesen oder die Finanzwelt müssen sich weiterentwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Künstliche Intelligenz hat hier das Potential, wie das Internet, alle Industrien zu durchdringen, und wird den Unterschied zwischen Gewinnern und Verlierern der Digitalisierung ausmachen.

 

Doch nicht nur im kommerziellen Bereich wird die künstliche Intelligenz eine entscheidende Rolle einnehmen. Auch im Bereich «AI for Good», der Nutzung der künstlichen Intelligenz für einen guten Zweck, wie zum Beispiel im Rahmen der «Sustainable Development Goals» der Vereinten Nationen, spielt sie eine tragende Rolle. Hier können Universitäten als fruchtbare Böden dienen, um Schnittstellen zwischen der Technologieentwicklung und der gesellschaftlichen Nutzung zu bilden. Künstliche Intelligenz kann zum Beispiel genutzt werden, um mit Hilfe von Satellitenbilddaten Waldbrände und Überschwemmungen frühzeitig zu erkennen und die Einsatzkräfte so am Boden zu unterstützen. Ein anderes Beispiel ist bereits heute der erfolgreiche Einsatz der künstlichen Intelligenz bei der bildgebenden Diagnose im Medizinbereich.

 

Doch um auf die eingangs erwähnte Diskussion zwischen Elon Musk und Mark Zuckerberg zurückzukommen, wie wir mit KI-Systemen in Zukunft verfahren sollen: Elon Musk möchte künstliche Intelligenz aktiv regulieren, während Mark Zuckerberg nicht glaubt, dass wir diese regulieren bzw. ihr Schranken auferlegen müssen. Wenn man bei dem Thema genauer hinschaut, muss man verstehen, dass es verschiedene Arten von Anwendungen der künstlichen Intelligenz gibt. Autonome Systeme wie das selbstfahrende Fahrzeug, welche sehr hohe Sicherheitsstandards erfüllen müssen, um eine Strassenzulassung zu bekommen, definieren die eine Seite des Spektrums. KI-Systeme, welche Spam-E-Mails filtern, die andere. Der Spam-Filter benötigt weitaus weniger Aufmerksamkeit seitens der Regulierung als ein selbstfahrendes Fahrzeug. Wir müssen in dieser Diskussion zuerst über die verschiedenen Klassen von KI-Systemen sprechen und diese mittels einer technischen Überwachung (KI-TÜV) entsprechend einordnen, bevor wir uns mit dem Thema Regulierung beschäftigen können. Hier können Universitäten als unabhängige Entitäten auftreten, um einen aktiven Dialog mit der Gesellschaft wie auch der Industrie zur Regulierung von KI-Systemen zu führen. Diese Aufgabe sollte nicht einzelnen Firmengründern aus dem Silicon Valley überlassen werden, sondern müsste mit allen Teilnehmern der Gesellschaft erörtert werden. Wenn uns das gelingt, werden wir uns in ein paar Jahren an die heutige Zeit erinnern, dass in ihr die Weichen gestellt wurden für eine Zukunft mit intelligenten Systemen als Partnern in Alltag und Beruf.